Donnerstag, 15. Dezember 2011

Katastrophe in Sicht?

Sie ist in Sicht, die Katastrophe. So sollte man meinen, dass die Dinge, die passieren können, nur eine halbe Gefahr darstellen, weil man sich auf den Crash vorbereiten kann, weil man die Weichen vor Eintritt in den Gefahrenbereich so stellen kann, dass man so eben noch am Schlimmsten vorbei schrammt.

Wolfgang Münchau überschreibt einen Artikel mit. "Die Ruhe vor dem großen Knall".

Lesenswert wie immer, wenn Münchau Stellung bezieht, denkt es nostalgisch an: "Keine Vertragsänderung. Keine Banklizenz für den Rettungsfonds. Auch keine Erweiterung. Kein Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank. Und natürlich auch keine Euro-Bonds.", und nennt den Merkel-Fortschritt in der Euro-Krisen-Sache: "Lediglich ein popeliger Vertrag zwischen den Euro-Mitgliedern ".

Recht hat Münchau mit dem "popeligem Vertrag", aber es ist das, was Merkel zu Stande bringt. Mehr kann sie nicht. Sie ist in ihren Mitteln zur politischen Gestaltung höchst begrenzt, man möchte schon annehmen, dass sie unfähig ist, vorgegebene Denkkonzepte zu durchbrechen und zu einer neuen Qualität zu kommen. Zu stark ist ihre Verstrickung in Denkmustern, die der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation nicht angemessen sind. Unfähig ist sie vor allem, antizyklisch zu handeln.

Politsch-wirtschaftliches Denken von Politikern ist System immanent angelegt. Es wird im Rahmen einer absehbaren Entwicklung kalkuliert und richtet sich vorrangig an der nationalen Politik aus. Das war immer so, auch bei Schmidt, Kohl, Schröder und Merkel. Wenn man dazu eine europäische Komponente integriert, geht es in wirtschaftlich stabilen Zeiten der starken EU-Länder nach dem Laisser-faire-laissez-passez-Prinzip. So verstärkte Schröder mit seiner "Agenda 2010" die deutsche Wirtschaftskraft zu Lasten der Arbeitnehmer und Rentner. Er war aber unfähig, die Konsequenzen für Europa zu sehen, wo die Sozialleistungen extrem weiter wuchsen, wo die Einkommen der Arbeiter und Rentner sich unangemessen stark weiterentwickelten und wo sich letztendlich die Lohnstückkosten auf einen Höhenflug begaben, der sie von der nationalen deutschen Wirtschaftspolitik weit entfernte.

Wie ist also anzunehmen, dass die national beschränkten Denkschemata der deutschen Bundeskanlerin plötzlich für Gesamteuropa mit stark ausgeprägten, diversifiziert nationalen Interessen Relevanz bekommen?

Dahinter steht der Denkfehler von immer: Es gibt den Standard-Europäer nicht. Ein Spanier, ein Grieche, ein Franzose, ein Belgier ist nicht gleichzusetzen mit einem Deutschen der spanisch, griechisch, französisch, belgisch usw. spricht: Jedes Land hat seine Kultur, seine eng definierte Art zu denken, zu leben und zu wirtschaften. Trotz Europa sind die gemeinsamen Schnittmengen extrem klein. Darüber müssen sich die Staatschefs im Klaren sein. Daran ist Europa gescheitert und wird weiterhin daran scheitern.

Wenn Wolfgang Münchau, bei allem Restpekt vor seiner Kompetenz, aber wirklich meint, durch eine Banklizenz für den Rettungsfond, durch unbegrenzte Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB und durch Euro-Bonds die Krise in den Griff zu bekommen, täuscht er sich gewaltig. Er laboriert an den Symptomen, er verabreicht palliative Mittel, die das finale Ereignis auch nicht vermeiden können.

An der Oberfläche haben wir ein Symptom, eine Krise, die zweiflelos mit einem BigBang enden wird. Aber darunter haben wir die Europa-Problematik, die tiefe Fäulnis eines Konstrukts, das nicht lebensfähig ist und darüber hinaus die Weltwirtschaft infiziert. Merkels Fehler ist ihr Versuch, durch Vertragsänderungen aus der Eigendynamik der Zersetzungsprozesses zu entkommen. Sie sollte wissen, dass der EU-Zerstörungsvirus gegen alle Massnahmen resistent ist und sich exponentiell vermehrt.

Möglicherweise hat sie das erkannt und lässt bewusst "die Karre laufen", dann hätten wir sie alle unterschätzt.

Aus der Krise kommen wir nur durch eine Zerschlagung des jetzigen Europas mit der Euro-Gruppe. Danach gilt es, einen Neuanfang auf einer sanierten Unterlage zu vollziehen und die politischen Fehler nicht noch einmal zu begehen.

Das Problem ist nur menschlicher Art: Aus der Geschichte hat man noch nie gelernt.

Andererseits bedeutet der Crash nicht, dass unser aller Leben aufhört. Wir begeben uns nur auf eine andere Qualität.


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